Morgens vor dem Sonnenaufgang hatte die Riesin eine gewaltige Menge Teig in dem
großen hölzernem Brottrog angerührt, mit am Vorabend bereitgestelltem Sauerteigansatz.

Mehl, Wasser, Sauerteigansatz, Salz.
Sie knetet und knetet die gewaltige Menge Teig, mit bloßen Händen, die Ärmel
hochgekrempelt, versanken ihre starken muskulösen Unterarme bis zum Ellbogen
im Teig. Schwer fällt ihr dieser aus der Hand, mehr und mehr mischen sich die einzelnen
Zutaten, Mehl, Wasser, Sauerteigansatz, Salz, geschmeidig und elastisch
wird der Teig, eine gleichmäßig durchmischte Masse, wie feuchte, lehmige Erde.

Die Riesin liebt Brotbacken und Teigkneten. Es erfordert Kraft und Ausdauer, sie
fühlt ihre Muskeln arbeiten und ihren Schweiß über ihren Rücken rinnen, geschmeidig
schmiegt sich der Teig an ihre großen kräftigen Hände, er fühlt sich kühl und
fest an, riecht tief und erdig. Beständig. Schwer. Und doch lebendig, in Bewegung
und in Wandlung.
Als die Riesin mit der Durchmischung zufrieden ist, soll der Teig ruhen, gehen, atmen,
sich ausdehnen, Luft aufnehmen und größer werden.
Sie deckt ein Tuch über den Brotteig im Brottrog.

Ihre Freundin hat derweil das Feuer im großen Holzbackofen an der Seite des Hauses
entzündet. Das Holz dafür hatte sie gestern schon sorgfältig in den Backofen
geschichtet, so dass sie es früh am Morgen nur anzünden brauchte. Sie achtet darauf,
dass alle Klappen offen sind und dass der Ofen gut zieht, das Feuer hell auflodert,
sich ausbreitet und nach einer Weile alle Äste erreicht. Sie liebt es, das Feuer
zu entzünden, zu entfachen, zu schüren und die Flammen lodern zu sehen, das
Knistern und Knacken im brennenden Holz, der Geruch von brennendem Holz, diese
spezielle umfangende Wärme von Holzfeuer. Gelbe und rote Flammen lodern hoch
und höher, werden heiß und heißer, das liebt sie.
Manchmal bedauert sie es, nicht selbst Feuer sein zu können, sie stellt sich vor, wie
es wäre, Feuer zu sein, so heiß, so lodernd, so wild tanzend, mit dem Holz, über
dem Holz, über der Erde mit dem Holz wild tanzend, wild und wilder, groß und
größer werdend, heiß und heißer – das muss toll sein, bis zum Taumel.

Leicht widerstrebend reißt sie sich von dem faszinierenden Element los und geht in
den Stall, um die beiden Kühe zu melken.
Molek, die Kuh, spürt ihre stark erhitzten Hände an ihrem Euter und denkt, aha,
mal wieder das Feuer geschürt vor dem Melken. Nicht unangenehm, dieses erhöhte
Pulsieren in den Händen!

Derweil wendet sich die Riesin erneut dem inzwischen ausreichend gegangenen
Brotteig zu.
Nun macht sie sich daran, einzelne Laibe zu formen. Sie greift in die Teigmasse und
trennt einen kleineren Teil davon ab. Ein gutes handliches Stück, ein ordentlicher
Brotlaib. Sie wiegt den Teil mit ihren Händen, schätzt ab, ob zu groß, zu klein, entscheidet:
es ist genug, und schlägt das Teigstück entschlossen auf die Knetstelle
auf der Anrichte. Nachdrücklich knetet und walkt sie das Teigstück erneut, vorher
mit dem gesamten Brotteig, wiederholt sie Kneten und Walken bei jedem einzelnen
Brotlaib erneut. Eine Zeitlang knetet sie den einzelnen Laib kräftig und intensiv
durch. Sie klopft und schlägt immer wieder den Teig auf die Anrichte. Klatsch!
Nach einer Weile werden die Bewegungen weniger handfest, weniger kräftig, mehr
zart, sogar zärtlich, streichelnd. Sie formt liebevoll eine Teigblume, alle Teigränder
werden zur Mitte hingeformt, es entsteht eine Teigblume, ein faltenloses Teigstück.
Dann rollt sie das Teigstück, die geschlossenen Blütenblätter bilden die Unterseite des
Brotes, nur noch wahrnehmbar als feine Naht. Als rundes pralles volles
Brotstück wandert es zum nochmaligen Ruhen und Gehen auf ein extra bereitliegendes
breites Holzbrett.

So tut sie es mit allen folgenden Brotstücken, erst kräftig kneten, dann liebevoll
formen und rollen. Jedes Stück wird mit der gleichen Aufmerksamkeit bedacht, bis
der ganze gewaltige Brotteig aufgebraucht ist. 25 Brotlaibe liegen auf dem Holzbrett.
Fünf für sie und ihre Riesenfreundin für die kommende Woche, ausreichend
bis zum nächsten Backtag. Fünf für die beiden Riesenfreundinnen, von denen sie
das Getreide und das Salz bekommt und die nachmittags zum Abholen kommen
werden. 2 für die freie Jägerin, die im Wald lebt, die nachmittags ebenfalls vorbeikommen
wird, um Leder, Fell und Fleisch gegen Brot zu tauschen. Und die restlichen Laibe zum
Mitbringen für den riesigen Geburtstagskaffee, der sie bei den
Nachbarinnen in zwei Tagen erwartete, zum Geschenk und zum Tauschen gegen
andere wertvolle Dinge der befreundeten Riesinnen.
25 pralle schöne Brotlaibe auf dem Holzbrett. Stolz betrachtet die Riesin ihr Werk.
Wieder fühlt sie den Schweiß ihren Rücken herunterlaufen. Ihre Unterarme schmerzen.
Stolze, prächtige, glänzende üppige einladende Brotlaibe. Elastisch und geschmeidig, weich
und fest zugleich. Eine Wonne, sie anzufassen, zu kneten und zu
formen.

Es erinnert sie an etwas. Ja, an den schönen Po ihrer Riesenfreundin! In der Tat, da
gibt es Ähnlichkeiten. So prall und fest und gut zum Anfassen, wie ein frisch geformter Brotlaib.

In diesem Moment kommt die Riesenfreundin erhitzt mit wehenden braunen Haaren
und erröteten Wangen vom Melken und Feuerschüren herein.

„Weißt Du, woran ich gerade dachte?“ fragt die Riesin ihre Freundin.
Die Riesenfreundin sieht sie mit ihren tiefblauen Augen überrascht und aufmerksam
an.
Dann fällt ihr Blick auf die prallen bereitliegenden Brotlaibe.
Sie versteht auf Anhieb, blickt ihre Freundin liebevoll an und lacht schallend.

„Das sieht Dir ähnlich!“ sagt sie.

© Ute

Ute, 46, die Glückliche, zielstrebig auf dem Weg mit allem was ich bin und was ich habe.